„Meine Leidenschaft ist Gerechtigkeit“

Internationale und intersektionale Beratung für Organisationen, Philanthrop*innen und Unternehmen und Coaching für Führende

Selmin Çalışkan ist Expertin für internationale und intersektionale Beratung für Organisationen, Philanthrop*innen und Unternehmen und Coaching für Führende.Selmin Hava Çalışkan (s. Bild r.) berät gemeinnützige Organisationen und Stiftungen sowie vermögende Menschen in ihrem sozialen Engagement. Sie verfügt über eine breite Geschäftsführungsexpertise und coacht inzwischen auch individuell Menschen in Führungspositionen. Sie war bis Mai 2023 Direktorin für Institutionelle Beziehungen im Berliner Büro der Open Society Foundations. Von 2013 bis 2016 war sie die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International. Selmin Çalışkan wuchs als Tochter türkischer Einwanderer der ersten Generation in Düren auf.

Zielgenau: Sie beraten intersektional und international.[1] Was bedeutet es für Sie persönlich intersektional zu beraten?

Selmin Çalışkan: Intersektional beraten bedeutet für mich, in der Beratung zu berücksichtigen, dass Diskriminierung und Ausgrenzung nicht eindimensional sind und nicht durch die Konzentration auf ein einziges Thema gelöst werden können. Hier kann ich meine eigenen Erfahrungen als Frau mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland einbringen  und diese  immer als Wissen im Hintergrund in meiner Beratung oder meinem Coaching mitlaufen lassen. Dazu zählen individuelle und kollektive Ausgrenzungserfahrungen und auch meine beruflichen Erfahrungen als Abteilungsleiterin, Direktorin und Geschäftsführerin. Frauen und insbesondere Frauen mit Einwanderungsgeschichte haben es viel schwerer sich auf Führungspositionen zu behaupten und sich dort zu halten. All diese Erfahrungen fließen in meine Beratung ein, das passiert automatisch. Deswegen bin ich in meinen Beratungs- und Coachingsettings auch sehr sensibel für Beratungssituationen mit meinem Gegenüber, die eventuell re-diskriminierend sein könnten. Denn, wenn so etwas passiert, ist sofort das Vertrauen, der Rapport im gemeinsamen Prozess unterbrochen, das Ziel wird nicht erreicht. Auf der thematischen Ebene bedeutet intersektional beraten z.B. dem Auftraggeber mögliche Szenarien aufzuzeigen, die mehr gesellschaftliche Wirkung durch eine intersektionale Perspektive entfalten könnten.

Ich weiß von mir selber, dass wir nicht davor gefeit sind, selbst zu diskriminieren, zu „othern“. Aber wir entwickeln uns weiter, wenn wir offen bleiben, die eigene Fehlbarkeit anerkennen, anstatt uns in dem Moment zu verschließen. Für diesen Prozess bin ich genau die richtige Person.

Zielgenau: Können Sie an einem Beispiel erklären, was es heißt, mit internationaler Perspektive zu beraten?

Selmin Çalışkan: Ich habe viele Jahre im Ausland und in Deutschland gearbeitet. Sagen wir mal, eine Organisation arbeitet zum Thema Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern, dann weiß ich aufgrund meiner beruflichen Erfahrung und durch mein Netzwerk genau, welche international arbeitenden Organisationen ich miteinander verknüpfen kann und wo es Sinn macht, sich grenzübergreifend zusammen zu tun, um das eigene Anliegen gemeinsam mit anderen voranzubringen. Auch sind mir wichtige Zeitpunkte bewusst, an denen überhaupt Veränderung stattfinden kann. Bei der Open Society Foundations habe ich mit daran gewirkt, dass Organisationen auf der Advocacyebene politisch zusammenarbeiten, die europaweit, ja sogar global die gleichen Ziele verfolgen, wie z.B. Rechte für Geflüchtete, für Frauen, für Menschenrechtsverteidiger*innen oder die Ahndung von Kriegsverbrechen. Diese europäische und globale Perspektive denke ich immer mit, wenn ich auf Projekte schaue. Schon allein wegen der Hochkonjunktur anti-demokratischer Politik weltweit, die die Rechte von Menschen beschneiden will, ist es wichtig  sich mit anderen zu verbinden und gemeinsame Strategien und Ziele zu entwickeln statt in Konkurrenz um Sichtbarkeit und damit um Gelder und Spenden zu gehen. Denn wir brauchen die Grundrechte auch als Grundvoraussetzung und Instrumente, um die vielfachen Krisen durch Kooperation und Aushandlung als Menschheit überwinden zu können. Übrigens ist jede Beratung, die ich gegeben habe, immer auch eine Fundraisingberatung gewesen, wo es auch um neue Businessmodelle und Fördermöglichkeiten ging

Zielgenau: Sie beraten auch Philanthrop:innen und öffentliche Geldgeber:innen und entwickeln Förderstrategien. Wie kann man sich die Arbeit mit Philanthropinnen vorstellen? Warum bedarf es hier Beratung?

Selmin Çalışkan: Ich unterstütze Philanthrop*innen bzw. Stiftungen dabei, passende Organisation für ihr Anliegen zu finden. Ich kenne eine Vielzahl an Organisationen weltweit und kann ihre Wirksamkeit und strukturierte Arbeitsweise beurteilen und auf dieser Basis sichere Empfehlungen geben. Hierbei ist die Frage leitend, was der- oder diejenige mit ihrer Schenkung bewirken möchte. Auch geht es immer um die Frage, in welchem Maß der oder die Gebende an der Wirkung der Gabe selber teilhaben möchte. Manche möchten lieber im Hintergrund bleiben, andere möchten die Projekte mit entwickeln, die sie fördern. Hier bin ich Brückenbauerin zwischen Gebenden und Nehmenden, weil ich beide Seiten mit ihren Bedürfnissen kenne. Ich mache die Erfahrung, dass für Menschen, die Geld geben, das Thema Selbstwirksamkeit sehr wichtig ist. Sie wollen wissen, dass ihr Geld wirkt. Und sie geben einen Vertrauensvorschuss an die Organisationen, dass diese in der Lage sind, einen bestimmten Missstand auch wirklich, zumindest teilweise, beheben können.

Zielgenau: Sie arbeiten oft mit dem so genannten „inneren Kompass“ einer Organisation. Was ist das und warum braucht eine Organisation einen inneren Kompass?

Selmin Çalışkan: Ich komme aus der NGO-Welt und der Stiftungswelt. Diese treten allgemein für das Gemeinwohl, die Gleichheit und die Rechte von Menschen oder andere gemeinnützige Zwecke an. Da sind ganze Organisationen mit ihrer Strategie und Führung darauf ausgerichtet, einen bestimmten Missstand zu beseitigen. Wie zum Beispiel Menschenrechtverletzungen zu verhindern oder Lohngerechtigkeit für Frauen zu erreichen. Der innere Kompass richtet sich nach den Werten, auf die sich eine Organisation bezieht, z.B. Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung.

Gemeinsame Werte sind die Grundlage eines „inneren Kompasses“. Wenn man seine Werte kennt, kann man auch mit seinem Budget zielgerichteter umgehen und auswählen, auf welche Weise man das Budget verwendet, um auf die eigenen Werte einzuzahlen. Das erhöht dann die Glaubwürdigkeit einer Organisation. Werte sollten regelmäßig überprüft werden. Und sie sind verpflichtend für alle, die der Organisation angehören. Organisationen und ihre Unterstützer passen übrigens dann gut zusammen, wenn sie die gleichen Werte teilen, oder dieselbe Idee haben, wie man ein Problem behebt. Nur wenn diese Werte übereinstimmen, dann kommt man auch zusammen. Deswegen ist es für alle, die gemeinnützig arbeiten ratsam, sich mit ihren Werten zu beschäftigen und diese dann auch klar zu kommunizieren. Denn nur dann können sie von denen gefunden werden, die diese Werte teilen.

Zielgenau: Haben Sie einen Tipp für alle, die in ihrer Organisation oder Stiftung ihren „inneren Kompass“ (wieder)finden wollen?

Selmin Çalışkan: Bei gemeinnützig arbeitenden Organisationen würde ich auf den Anfangsmoment zurückgehen und fragen, warum sind wir eigentlich damals entstanden? Diese Momente sind sehr unterschiedlich, es gibt immer diesen einen auslösenden Moment und der hat eine sehr große Kraft. Eigentlich verbirgt sich hier auch schon der innere Kompass. Daran schließt sich dann die Frage an, was können wir zusammen verändern? Diese Selbstvergewisserung und die Frage, warum haben wir uns gegründet, ist auch eine Stärkung für die Organisation, die auch das Team lange durch krisenhafte Zeiten tragen kann. Es bedeutet auch, ehrlich zu schauen: Braucht es uns heute überhaupt noch? Müssen wir etwas verändern? Hat sich die Mission verändert? Das muss immer wieder kritisch überprüft werden, damit die Organisation nicht zum Selbstweck wird und Spender*innen und Geldgeber*innen gegenüber glaubwürdig bleibt.

Zielgenau: Vielen Dank für das Gespräch.

Internationale und intersektionale Beratung und zielgenaue Unterstützung

Sie möchten internationale und/oder intersektionale Beratung oder Begleitung für Ihr Projekt, Ihre Kampagne oder Ihre Organisation in Anspruch nehmen? Oder ein individuelles Coaching in einer herausfordernden Situation? In einem unverbindlichen und kostenlosen Erstgespräch klären wir gerne Ihren Bedarf:

Sprechen Sie uns an!

Agentur Zielgenau steht für ganzheitliche und nachhaltige Beratung zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure. Unsere Kernkompetenzen sind maßgeschneiderte Fundraising-Strategien und -Maßnahmenpakete sowie deren interimsweise Umsetzung, Stärkung von Leadership-Kompetenzen und umfassende Beratung im Bau-Fundraising. Ergänzt wird unser Angebot durch die Expertise unseres Qualitätsnetzwerks. Hier stellen wir Ihnen unsere Partner:innen näher vor. Den Anfang macht Selmin Çalışkan

[1] Intersektionalität bezieht sich darauf, wie verschiedene Formen der Diskriminierung, Unterdrückung und Privilegien miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflussen. Statt Diskriminierung als isoliertes Phänomen zu betrachten, betont die intersektionale Perspektive, dass Menschen verschiedene soziale Identitäten haben (wie Geschlecht, Rasse, Klasse, sexuelle Orientierung, Behinderung usw.) und dass diese Identitäten miteinander verwoben sind.