Der zielgenaue Blick in die Glaskugel 

„Prognosen sind schwierig – besonders wenn sie in die Zukunft gerichtet sind.“ 

Vor knapp zwei Monaten wurde der Lockdown beschlossen – die Folgen für Familien, Unternehmen, das Gesundheitswesen, für Vereine und Bildungseinrichtungen werden allmählich sichtbar.
Gleichzeitig hat sich der erste Schock gelegt, man arrangiert sich notgedrungen mit der Situation, denn es wird klar: das Thema und die Einschränkungen werden uns noch eine ganze Zeit begleiten.

In den letzten Tagen sind die ersten Prognosen zu lesen und hören, wie sich die Folgen der Corona-Krise auf das Fundraising auswirken. Der Tenor ist im Grundsatz eher positiv – die wirtschaftlichen Folgen seien nicht so verheerend, das Spendenaufkommen während der Krise war konstant und würde es bleiben, Großspender würden weiter und eher mehr geben, Zuschüsse würden angepasst und in gewohnter Höhe vorhanden bleiben…

Ganz nachvollziehen können wir diese Einschätzungen nicht – vor allem nicht, wenn man den Blick mal über den eigenen Tellerrand hebt. Dann sehen wir vieles, was uns nicht gerade positiv stimmt – und einiges, was uns dann doch wieder zuversichtlich hoffen lässt. Doch der Reihe nach.

Die wirtschaftlichen Folgen
Spenden und gesellschaftliches Engagement sowie die wirtschaftliche Situation bedingen sich. Haben die Menschen Angst um ihren Arbeitsplatz, spenden viele weniger. Deshalb lohnt sich der Blick auf die wirtschaftliche Situation:

  • Ende April waren laut Bundesagentur für Arbeit 10,1 Millionen Menschen in Kurzarbeit, 751.000 Unternehmen haben Kurzarbeit angezeigt. Das bedeutet, dass etwa ein Viertel der Unternehmen in Deutschland Kurzarbeit zumindest für einzelne Bereiche angemeldet hat; zudem ist jeder Vierte Beschäftigte in Kurzarbeit.
  • Die Arbeitslosigkeit ist im April saisonbereinigt schon gestiegen. Laut Ifo-Institut bereiten viele Unternehmen bereits Entlassungen vor. Zum Vergleich: Seit dem 30. April wissen wir, dass jeder Sechste in den USA sich als arbeitslos gemeldet hat. Tendenz steigend. So drastisch wird es in Deutschland auch dank Kurzarbeit wohl nicht werden.
  • Der Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts ist im April so stark abgestürzt wie noch nie. In allen Bereichen – bis auf das Bauhauptgewerbe – wird die aktuelle Lage so schlecht wie noch nie eingeschätzt – und auch die Zukunft pessimistischer betrachtet.
  • Einzelne Branchen – etwa die Gastronomie, Tourismus, Einzelhandel oder die Veranstaltungsbranche – befürchten ein Massensterben von Unternehmen.
  • Viele Unternehmen – gerade im Mittelstand – haben noch eine Wirtschaftlichkeitsreserve von zwei Monaten.

Die Folgen sind gravierender und tiefgreifender als bei der Wirtschaftskrise 2008 / 2009. Klar ist schon jetzt, dass die Hilfsprogramme die Haushalte von Bund, Länder und Kommunen, von Bundesagentur für Arbeit, Sozialversicherungen etc. deutlich belasten werden – und zwar für mehrere Jahre.

Die aktuelle Situation der gemeinnützigen Organisationen

Die aktuelle Situation ist sehr unterschiedlich.

  • Die Bereiche Jugend-, Alten- und Behindertenhilfe dürften vor allem vor der Herausforderung stehen, die Schutzmaßnahmen konsequent umzusetzen. Dieses Ausmaß hatte keiner in der Haushaltsplanung vorgesehen.
  • Stiftungen und Vereine im Gesundheitsbereich haben – so die uns vorliegenden Informationen – eine große Zahl von Nachfragen, ebenso verzeichnen sie bisher ein eher steigendes Spendenaufkommen.
  • Bildungseinrichtungen, die unter den Schutzschirm des Bundes fallen (u.a. mit Kurzarbeitergeld), können noch etwas planen – anders als freie Bildungseinrichtungen, die zum Teil schon heute existenziell bedroht sind.
  • Die Bereiche Kunst und Kultur sind existenziell gefährdet – Einnahmen durch Eigenerträge und Spenden fallen fast vollständig weg.
  • Die rund 300.000 Kleinstvereine (Jahresetat bis 20.000 Euro) werden erhebliche Probleme haben, auch weil Veranstaltungserlöse wesentliche Einnahmebereiche sind.

Von daher werden in Zukunft ein Teil der rund 630.000 Organisationen existenzielle Probleme haben – der gemeinnützige Bereich in der bekannten Form dürfte sich verändern.

Wie geht es weiter? Eine skeptische Einschätzung

Fundraisinginstrumente und der Blick in die Glaskugel
Wie geht es weiter? Wir betrachten nicht nur das Spendenaufkommen, sondern alle Bereiche des Fundraisings. Und wir fokussieren uns bei der Einschätzung nicht allein auf die großen spendensammelnden Organisationen, sondern den gemeinnützigen Bereich insgesamt. Bei allen Unterschieden sehen wir doch einige Trends:

Spenden von Beschäftigten

  • Viele Unternehmen konnten dank der schnellen Hilfen von Bund und Ländern Entlassungen im großen Stil bisher vermeiden – etwa durch Kurzarbeitergeld, Soforthilfeprogramme, Steuerstundungen u.v.m. Damit haben sie Zeit gewonnen, sich auf die Situation einzustellen – und sofortige Insolvenzen zu vermeiden.  Klar wird aber auch: Die Hilfsprogramme reichen nicht aus, so dass zu befürchten ist, dass viele Unternehmen 2020 nicht überleben werden. Dies dürfte zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen führen – und zwar nicht nur in der Gastronomie und dem Einzelhandel.
  • Die Zahl der Menschen in Kurzarbeit dürfte nicht so schnell wieder sinken. Bis Ende 2020 dürfen Unternehmen die aktuellen Regelungen nutzen – und viele werden es machen (müssen). Das bedeutet, dass die Kaufkraft – und damit auch die zum Spenden zur Verfügung stehende Summe – deutlich sinkt. Daran dürfte auch die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 80 % nichts ändern.
  • Die Aussicht auf dem Arbeitsmarkt (Kurzarbeit, drohende Arbeitslosigkeit) lässt viele Menschen sparen – unnötige Ausgaben werden vermieden.

Es ist zu befürchten, dass die wirtschaftliche Situation zu einem Rückgang der Spenden aus der Altersgruppe der 25 – 65-Jährigen führt.

Spenden von Pensionären
Wirtschaftlich ist diese spendenaffine Zielgruppe bisher noch nicht von der Corona-Krise betroffen. Am 1. Juli 2020 wird es die nächste Rentenerhöhung geben. Diese Zielgruppe wird – davon ist auszugehen – auch weiterhin spenden. Wie sich das in Zukunft entwickeln wird, wird sich zeigen.

Unternehmensengagement
Unternehmen spenden laut Bertelsmann-Stiftung pro Jahr etwa 9,5 Mrd. Euro. Das war in den letzten, wirtschaftlich starken Jahren. Doch Unternehmen, die wirtschaftlich unter Druck sind, spenden weniger. Deshalb ist mit einem Rückgang der Unternehmensspenden zu rechnen. Gleichwohl gibt es Unternehmen, die von der Krise profitieren – hier kann sich die Situation völlig anders darstellen. Genaues Hinsehen und Hinhören bei den Unternehmen ist unerlässlich.

Freiwillige Leistungen von Bund und Ländern
Die Leistungen gemäß Sozialgesetzbuch werden auch in Zukunft gezahlt. Da aber von strikten Einsparungen bei den öffentlichen Haushalten auszugehen ist, dürften die freiwilligen Leistungen (Zuschüsse) in vielen Bereichen reduziert werden. Vereine und Stiftungen, die bei ihrer Arbeit darauf angewiesen sind, dürften neue Einnahmebereiche benötigen.

Nachlässe / Legate
Die Nachfrage an Informationen zu Nachlässen für gemeinnützige Organisationen steigt nach Einschätzung von Branchenexperten. Wie sich das in Zukunft entwickelt, kann derzeit nicht eingeschätzt werden.

Zuschüsse von Stiftungen
Viele fördernde Stiftungen dürften die Auflagen für bereits genehmigte Programme eher kulant auslegen. Für die Zukunft muss man schauen, inwieweit sie ihr Fördervolumen aufrechterhalten können – dies gilt insbesondere bei Stiftungen, die im Fundraising selbst sehr aktiv sein müssen.

Die Stiftung, die von den Schwankungen kaum betroffen sind, werden ihre Arbeit fortführen – vielleicht mit neuen Förderschwerpunkten.

Lotteriemittel
Die Höhe der Lotteriemittel dürften sich nicht deutlich verändern. Wahrscheinlich sind auch in Zukunft Soforthilfen sowie neue Förderprogramme.

Geldauflagen
Etwa 120 Millionen Euro werden pro Jahr an Geldauflagen von Privatpersonen gehen an den gemeinnützigen Bereich. Es ist damit zu rechnen, dass viele kleinere Geldauflagen aufgrund von Zahlungsunfähigkeit durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit eingestellt werden.

Zusammengefasst: Es ist zu befürchten, dass die Finanzierung von vielen Vereinen, Stiftungen und gGmbHs schon im 2. Halbjahr 2020 immer schwieriger wird. Es dürfte eine Wirtschaftskrise im gemeinnützigen Bereich folgen. Die staatliche Hilfe dürfte eher gering sein, so dass eigene Wege gegangen werden müssen. Welche Handlungsempfehlungen dadurch bestehen, zeigen wir Ihnen gleich.

Die hoffnungsvollen Ansätze

Gemeinnütziges Handeln ist stärker als man denkt
Die größte Hoffnung liegt in der Bevölkerung. In den letzten Wochen wurde viel Solidarität deutlich. Viele große und kleine Initiativen und Hilfen entstanden. Menschen haben für Kultureinrichtungen, Künstler, gastronomische Betriebe, Konzertveranstalter u.v.m. gespendet. Das zeigt: Wenn es darauf ankommt, ist man füreinander da!

Hoffnungspflänzchen sind die ersten steuerlichen Hilfen, die das Bundesfinanzministerium Anfang April 2020 erlassen hat, oder auch, dass immer mehr Politikerinnen und Politiker die Folgen der Corona-Krise für den gemeinnützigen Bereich wahrnehmen.

Und nicht zuletzt zeigt die Geschichte, dass gemeinnütziges Engagement alle Krisen der letzten Jahre überstanden und bewältigt hat.

Handlungsempfehlungen für Vereine, Stiftungen und gGmbHs

Bei aller Hoffnung und Zuversicht – die Corona-Krise zeigt, dass sich Vereine, Stiftungen und gGmbHs neu ausrichten und verändern müssen. Dies gilt insbesondere für die kleinen und mittleren Organisationen (mit einem Jahresetat zwischen 150.000 und etwa 15 Millionen Euro), denn die Kleinstvereine sind i.d.R. lokal vernetzt und die großen Organisationen haben stabile Strukturen und Finanzierungsgrundlagen.

Klar ist, dass man sich nicht mehr allein auf ein Instrument verlassen kann. Die Diversifikation der Einnahmequellen ist wichtiger denn je. Dabei gilt es, die Instrumente sinnvoll zu verknüpfen und intern zu verzahnen. Es wird also deutlich schwieriger ohne Plan und Konzept zukunftsorientiert zu handeln.

Wir sehen aktuell folgende Bereiche:

  • Die bisher schleppend verlaufende Digitalisierung – insbesondere in der Verwaltung, im Marketing und Fundraising – muss zügiger umgesetzt werden. Marketingautomatisierungen, digitale Spendenlösungen etc. müssen eingeführt werden. Das bedingt Investitionen in Technik, neue Prozesse und fachliche Expertise.
  • Das Fundraising und die Öffentlichkeitsarbeit müssen schnell professionalisiert werden. Hauptthemen sind dabei Digitales Fundraising und das Nachlass-Fundraising.
  • Die Kommunikation wird immer wichtiger. Ohne eigene Fördererbasis, die regelmäßig, umfassend und persönlich angesprochen wird, wird keine überregional tätige Organisation überleben. Dabei muss online wie offline und fördererzentriert kommuniziert werden.
  • Es müssen neue Angebote und Formate entwickelt werden – auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit. Das kann auch bedeuten, dass liebgewordene Traditionen beendet werden.
  • Wirtschaftlichkeit und Effizienz werden immer wichtiger – unabhängig von der Größe einer Organisation. Deshalb müssen sich Vorstände fragen, ob sie alle Aufgaben selbst erledigen wollen – oder ob sie sich die Verwaltung mit anderen Vereinen teilen oder Dienstleistungen komplett auslagern (Outsourcing).
  • Auch Vereine, Stiftungen und gGmbHs müssen sich mit den Themen Fusionen, Kooperationen und Übernahmen beschäftigen. Das Kirchturmdenken muss sich ändern, wenn man gemeinsam wirkungsvoller und effizienter agieren könnte.

Veränderungen werden kommen

Ein erstes Fazit
Wir wagen also die Prognose, dass der gemeinnützige Bereich vor tiefgreifenden Veränderungen versteht, als man es noch vor ein paar Monaten, Wochen und Tagen vermutet hätte. Dennoch wissen wir, dass wir eine Mission zu erfüllen haben, von der wir uns jetzt leiten lassen sollten. Verlieren Sie das Ziel Ihrer Organisation nicht aus den Augen. Sie werden gebraucht!

Und denken Sie daran – Veränderungen sind der Anfang, um noch besser werden zu können.

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