Die Beziehung wird entscheidend

Der zielgenaue Blick in die Glaskugel

„Unsere Spenderinnen und Spender scheinen abzuwarten“. So formulierte die Geschäftsführerin einer Hilfsorganisation es vor einigen Tagen zu uns. „Wir erhalten unsere regelmäßigen Spenden, doch bei den langfristigen Festlegungen beobachten wir eine zunehmende Zurückhaltung.“

Nach 13 Monaten mit der Pandemie entwickelt sich bei vielen Menschen und Organisationen eine gewisse „Normalität“. Homeoffice und Homeschooling sind in vielen Bereich üblich, Arbeit und Alltag laufen. Zugleich ist eine gewisse Müdigkeit zu beobachten, viele Entscheidungen fallen schwerer, zäher.

Interessanterweise gilt das für viele Spenden bisher (noch) nicht. Das Spendenaufkommen ist 2020 laut GFK-Studie Bilanz des Helfens um 260 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr gestiegen! Das Ergebnis an sich ist erst einmal sehr positiv. Doch wird es so weitergehen?

Ein außergewöhnliches Ergebnis in einem außergewöhnlichen Jahr

Schauen wir uns die Entwicklung 2020 einmal genauer an. Die ersten Monate der Pandemie waren durch eine sehr große Solidarität und Hilfe gekennzeichnet. Ein Merkmal dafür war sicherlich auch das Spenden. Weiterhin haben viele Organisationen ihre Kommunikationsmaßnahmen der Situation angepasst. Mailings wurden vorgezogen, Budgets auf Onlinemarketing oder Telefon-Fundraising verlagert – häufig mit Erfolg. Ohne verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation hätte das Spendenaufkommen wohl kaum gehalten werden können.

Bedenklich war laut des Deutschen Spendenrats, dass die Anzahl der Förderer sinkt. Im Vergleich zum Vorjahr haben im Jahr 2020 etwa „eine halbe Millionen Menschen weniger “gespendet. Es dürften vor allem die Seniorinnen und Senioren gewesen sein, die weiterhin gespendet haben, also die treuen Förderer. Auch hatte diese Gruppe keine Einschränkungen bei der Rente.

Wird es so weitergehen?

Das glauben wir nicht. Unseres Erachtens ist es ein außergewöhnliches Ergebnis in einem außergewöhnlichen Jahr. Erinnern wir uns an das Jahr 2005. In Folge des Tsunamis stieg das Spendenaufkommen deutlich an – in der Folge/im weiteren Verlauf? konnte das Niveau aber nicht gehalten werden und sank wieder. Diesen Effekt vermuten wir auch für das Jahr 2021. Daran dürfte auch eine intensivere Digitalisierung der Kommunikation und des Fundraisings nichts ändern. Und ein Mehr an Werbung gerade im Onlinebereich dürfte angesichts der Entwicklung der Werbespendings und der Zunahme der Konkurrenz nur bedingt helfen.

Worauf es ankommen wird – 5 zielgenaue Thesen

These 1 – Es braucht eine Investition in eine persönliche, ehrlich gemeinte Beziehung
Fundraising ist vom Kern her Beziehungsarbeit. Und doch ist die Qualität der Beziehungsarbeit von Organisation zu Organisation zum Teil sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite gibt es Fundraiserinnen und Fundraiser, die den engen, persönlichen Kontakt zu den Förderern suchen und pflegen. Andere hingegen verwalten ihre Kontakte und warten, bis sich jemand meldet.

Für die Zukunft braucht es – gerade auch durch die Digitalisierung – eine Investition in die persönliche Beziehung. Spenderverwaltung reicht nicht mehr; Menschen geben Menschen, wenn sie spüren, dass die Beziehung stimmt. Die Organisation muss zu einem Teil der Familie werden. Das gelingt nur, wenn im Miteinander das Geld (die Spende) nicht im Mittelpunkt steht, sondern der Mensch.

Beziehungsarbeit kostet Zeit und Geld. Und es kostet Kraft, um immer wieder zum Telefon zu greifen, im Chat oder im Video-Call ehrlich und authentisch mit den Spenderinnen und Spendern zu sein.

These 2 – Wir brauchen eine wertschätzende Grundhaltung
Wir müssen uns als Fundraiserinnen und Fundraiser immer wieder auf unsere Werte besinnen. Was wollen wir? Was ist uns wichtig? Wie wollen wir den unterschiedlichen Menschen begegnen? Ist uns eine Spenderin, ein Spender wichtig, weil wir eine Spende erhalten? Oder interessieren wir uns für die einzelnen Person mit seinen Fragen, Wünschen und Einstellungen?

Es braucht eine wertschätzende Grundeinstellung in einer Organisation. Immer stärker überlagern ROIs und KPIs das Fundraising, während einfache Standards des höflichen Miteinanders zum Teil verloren gehen. Der Dank für eine Spende, der zu oft noch immer nicht oder zu spät kommt. Der Geburtstagsgruß, der kurze Anruf, die nicht kommen. Die Informationen über die Arbeit, die eher werblich und weniger aufklärend oder informierend sind.

Ein werteorientierter, authentischer Umgang ist übrigens nicht nur bei Spenderinnen und Spendern gefragt, sondern auch den eigenen Beschäftigten und Dienstleistern gegenüber. So werfen allein verschiedene Erfahrungen, die wir als Agentur in den letzten Monaten gemacht haben, für Verwunderung. Jede Organisation muss sich ihrer Werte bewusst machen. Wertschätzung muss zur DNA einer Organisation werden.

These 3 – Wir müssen den Nutzen unserer Arbeit zeigen
Die Öffentlichkeitsarbeit vieler – gerader auch kleinerer – Organisationen ist in den letzten Jahren deutlich professionalisiert worden. Die Spenderinnen und Spender werden umfassend über die einzelnen Projekte informiert, unterschiedliche Medien stehen zum Download oder zur Bestellung bereit.

In Zukunft wird diese transparente Kommunikation nicht mehr ausreichen. Jede Organisation sollte ihren Value Proposition verstärkt zeigen. Der Value Proposition im Fundraising beschreibt, welchen Nutzen ein Verein, ein Verband, eine gGmbH oder eine Stiftung seinen Fördererinnen und Förderern verspricht. Es geht auch darum, welche Wirkung die Arbeit der Organisation zur Lösung gesellschaftlicher Probleme entfaltet – und was jeder einzelne Förderer dazu beiträgt.

Damit das gelingen kann, müssen wir mehr über die Bedürfnisse und Wünsche der Fördererinnen und Förderer wissen. Ohne Personas, ohne eine Donor Journey und ohne definierte Touchpoints und wird es nicht gelingen, adäquat zu kommunizieren.

These 4 – Es braucht Leadership
Eine gemeinnützige Organisation braucht zukünftig – dringender denn je – eine Führung, die entschieden vorangeht. Es braucht Visionärinnen und Visionäre mit Weitblick, die die verschiedenen Stakeholder von einer Idee begeistern können, die sich ihrer Werte bewusst sind und entsprechend authentisch handeln. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Fördererinnen und Förderer wollen eine selbstbewusste Persönlichkeit, die motiviert und vorangeht.

Solche Führungskräfte müssen – wie in Unternehmen schon heute oft üblich – gecoacht und begleitet werden. Daher ist es gut, dass nunmehr auch im Fundraisingbereich in Deutschland erste entsprechende Angebote in Kürze verfügbar sind.

These 5 – Setzen Sie auf zeitgemäße Formate
Setzt man im Fundraising verstärkt auf eine individuelle Ansprache und Begleitung der unterschiedlichen Förderinnen und Förderer, so werden auch die Auswahl des Kommunikationskanäle sowie die Art der Darstellung in Zukunft noch wichtiger. So ist es bereits heute möglich, Interessierte mittels Virtual Reality direkt an dem Nutzen der Arbeit teilhaben zu lassen. Diese Möglichkeit wird aus verschiedenen Gründen noch zu wenig genutzt – hier sehen wir aber zukünftig einen rasanten Anstieg. So wie Onlinespenden heute keine Spielerei mehr sind, so wird es mit Augmented bzw. Virtual Reality künftig sein.

Video-Meetings per Teams, Zoom oder Skype sind in den letzten 12, 13 Monaten fast zur Normalität geworden – die Option wird bleiben. Und wie sieht es mit Clubhouse, der audio-basierten Social-Network-App, aus? Es gibt viele Möglichkeiten, mit Ihren Förderern in Kontakt zu treten und zu bleiben – Sie müssen sie lediglich nutzen.

Veränderungen sind der Anfang, um noch besser werden zu können
Der gemeinnützige Bereich steht vor tiefgreifenden Veränderungen als man es noch vor einem vermutet hätte. Dennoch wissen wir, dass wir eine Mission zu erfüllen haben an der wir uns jetzt leiten lassen sollten. Verlieren Sie das Ziel Ihrer Organisation nicht aus den Augen. Sie werden gebraucht!