„Quo vadis, Zivilgesellschaft?“

Antworten des #DFK22. Ein politischer und hoffnungsvoller Fundraising-Kongress mit innovativen Impulsen und Basiswissen. 

Man könnte sagen, die Krisen häufen sich. Man könnte sich fragen, wo bei der Fülle der Aufgaben denn nur anzufangen sei. Denn die Zivilgesellschaft ist zum Zerreißen gespannt.

Aber es gibt Hoffnung und Aufbruch. Auf Geberseite wie auf Seite der gemeinnützigen Organisationen. Diesen Fokus hat der Fundraising-Kongress in diesem Jahr gesetzt. Und so einerseits die gesellschaftliche Bewegtheit und die offenen Fragen widergespiegelt und andererseits Raum gegeben für Vernetzung und neue Ansätze in der Zusammenarbeit für Organisationen aufgezeigt. Wichtigste Tendenz aller besuchten Veranstaltungen: sich in diesem gesellschaftlichen Umbruch zusammen zu tun, sich gemeinsam politisch einbringen und mit einer starken Stimme zu sprechen, um wahrgenommen zu werden. Hier in loser Folge einige, ausgewählte Eindrücke:

Podiumsdiskussion: Was ist gemeinnützig?
Selmin Çalışkan und Stefan Diefenbach-Trommer diskutierten den Wandel der EU weg von einer Wirtschaftsunion hin zu einer Werteunion. Der sei unter anderem ablesbar am Verständnis von Zivilgesellschaft und deren Rolle. Die Implikationen, die das Umsatzsteuerrecht für NGOs in Deutschland hat, wurde verdeutlicht am Beispiel des Umgangs mit den Spendengeldern zu Gunsten des Ahrtals. Welche Schritte wir gemeinsam gehen können, um den nationalen Handlungsrahmen für gemeinnützige Arbeit zu weiten, wurde in Bezug zur europäischen Perspektive aufgezeigt. Auf dieser Ebene ist Zivilgesellschaft klar als gemeinnützig definiert und auch mit entsprechenden finanziellen Handlungsspielräumen ausgestattet. Ein Ergebnis und ein Appell der Diskussion: es braucht oftmals Mut, um die gemeinnützige Arbeit auszuüben, helft einander dabei durch Vernetzung.

Seminar: Kooperationen mit Gemeinwohl-Unternehmen
Als Best Practice-Beispiel für Gemeinwohlökonomie diente die Kooperation von Handicap International mit dem Münchener Mode-Label „Enzo Escoba“. Besonders ist bei diesem Modelabel die konsequente Gemeinwohlorientierung vom Anbau der Bio-Baumwollfaser bis hin zum Upcycling und der Wiederverwertung der eigenen Kollektionen in einem geschlossenen Wertstoffkreislauf. Das Gleichgewicht zwischen den Bereichen Mitarbeiterwohl – ökologischem Wohl – Sozialer Verantwortung steht im Fokus der Unternehmensphilosophie, alle Bereiche werden bei Entscheidungen gleichermaßen gewichtet. Zu schön, um wahr zu sein? Nein. Eine Frage der Haltung und Ausdruck einer neuen Generation von Unternehmer:innen, die ein Mindset mitbringt, das sich nicht an der Maximierung des Profits orientiert. Daher auch die klare Handlungsempfehlung an gemeinnützige Organisationen: sucht euch für Kooperationen Partner:innen, die ein gemeinwohlorientiertes Mindset haben. Auch wenn diese noch im Entwicklungsstadium ihrer Unternehmen sind: Besser ist es, auf einer stabilen Wertebasis langfristige Partnerschaften aufzubauen, um dann gemeinsam und langfristig wachsen.

Podiumsdiskussion: Diversity in a nutshell
Welche Themen auf den Plan kommen, wenn „Diversity“ in gemeinnützigen Organisationen integriert und gelebt werden will, wurde unter dem Fokus Mitarbeitergewinnung und Schaffung einer modernen und diversen Unternehmenskultur beleuchtet und von Araba Pilic moderiert. Dank der aktivierenden Diskussion mit Hà Ngo Bich und Ahmet Sinoplu wurde deutlich: der Wille, „Diversity“ zu leben ist in den gemeinnützigen Organisationen vielfach vorhanden, es braucht aber mehr als eine sichtbare Vielfalt in der Mitarbeiterschaft. Um chancengerechte Arbeitsplätze für alle zu schaffen, braucht es vor allem ein Umfeld, das lernbereit ist. Das bedeutet auch für gemeinnützige Organisationen, die Diskurshoheit abzugeben, auch und gerade, wenn man es gut meint, um sich auf einen wirklich offenen Prozess einzulassen. Spannend war die Dimension, die sich im Verlauf der Diskussion auf Verbandsebene auftat, dessen Mitglieder meist aus einer sehr homogenen Gruppe kommen. Was kann der Fundraising-Verband aktiv tun, um „Diversity“ im Verband zu fördern? Und kann ein solcher Prozess neben der Anstrengung, den er bedeutet vielleicht auch eine der Antworten auf den Fachkräftemangel im gemeinnützigen Sektor geben?

Innovation oder schon state-of-the-art?
Dass Krypto-Spenden in den USA bereits im Alltag angekommen sind, zeigt die aktuelle Auswertung der NonProfit Times. Hier stehen wir noch am Anfang. Daher hat es uns gefreut neue Erkenntnisse in persönlichen Gesprächen sammeln zu können und unser Wissen darüber zukünftig zu verstetigen. Nicht mehr wegzudenken dagegen ist die integrierte Kommunikation, was Jona Hölderle und Jan Uekermann in Bezug auf Großspenden-Fundraising verdeutlicht haben. Und ja, der Besuch der nächsten Gamescom sollte bei Online-Fundraiser:innen unbedingt Bestandteil der Arbeitszeit sein. Denn nur so lernen wir unsere (zukünftigen) Fördererzielgruppen kennen.  Denn auch im Gaming-Bereich gibt es bereits Fundraising-Erfolge zu feiern, wie Cathleen Bätz und Torben Dose uns verdeutlichten. Aber auch hier gilt wieder, dass ein neuer Kanal nur dann erfolgreich ist, wenn die strategischen Weichen dafür gestellt sind. 

Seminar: Fundraising ist Führungsaufgabe
Gut führen kann nur, wer sich selbst gut führen kann. Voraussetzung dafür ist, sich selbst zu kennen. Mit seinen Stärken und Schwächen und mit Hilfe eines reflektierten Umgangs. Gute Führung basiert auf Werten und Glaubenssätzen. Die muss ich kennen, wenn ich Verantwortung trage. Denn ich gebe als Führungskraft Antworten. Ständig und auch unter schwierigen Bedingungen. Deshalb setzt die Stiftung „Leaders of Tomorrow“ mit ihrem Programm bei der Persönlichkeitsentwicklung der Führungskräfte an. Die Vision: mit starken Persönlichkeiten den vielfältigen Herausforderungen der Zivilgesellschaft mit Ruhe und in Kenntnis des eigenen Potentials zu begegnen. Oder um es mit George Bernard Shaw sagen: „Die besten Reformer, die die Welt je gesehen hat, sind die, die bei sich selbst anfangen.“

Fazit: Der Fundraising-Verband hat mit dem Kongress einen guten Rahmen für Austausch gegeben, auch und gerade, weil so viele neue Gesichter wie noch nie auf diesem Fundraising-Kongress waren. Danke, DFK22, für viele Impulse, für deine Themenoffenheit und für die Bereitschaft, die Dinge anzuschauen, wie sie wirklich sind.